Draußen wurde es bereits wieder hell – der Himmel färbte sich von tiefschwarz zu lila – als ich gestern schließlich am Gate saß und darauf wartete, ins Flugzeug steigen und endlich schlafen zu können. Noch vor weniger als ein paar Stunden saß ich inmitten der Marktstraßen, die sich nachts mit ihren vielen Bars und Restaurants als toller Ausgeh-Ort entpuppen, und genoss meinen letzten Abend mit ein paar neuen Bekanntschaften und israelischem Bier. Um 1 Uhr nachts kam ich zurück ins Hostel, habe im Dunkeln mein ganzes Zeug gepackt (meine Zimmernachbarn werden sich gefreut haben) und ausgecheckt. Um 1:45 Uhr wurde ich von einem Sammeltaxi abgeholt und um etwa 3 war ich dann am Flughafen – all die Geschehnisse dieses Abends wirkten wie ein einziger Traum, mit dem Unterschied, dass ich nicht geschlafen hatte. Angefangen mit der Fahrt im Taxi, die schon so merkwürdig war. Am Grenzübergang kam plötzlich ein bewaffneter Soldat in unseren Bus, hat auf ein paar von uns gezeigt und von ihnen den Reisepass verlangt. Eine Frau musste mitsamt ihrem Gepäck aussteigen und wurde etwa zehn Minuten befragt, ehe wir weiterfahren konnten. In diesem Moment wurde mir wieder bewusst, wie diskriminierend man hier behandelt werden kann, wenn man nur einer anderen Religion angehört oder schlicht durch eine andere Herkunft auffällt (den gleichen Gedanken hatte ich auch schon, als Aditya während einer Busfahrt einmal als einziger von uns seinen Pass zeigen musste).
Am Flughafen wurde ich selber einer etwa halbstündigen Befragung durch israelische Sicherheitsbeamte unterzogen, bei der die Frage nach sämtlichen Unterkünften, in denen ich während diesem Monat gelebt hatte, noch zu den harmloseren gehörte. Es war wirklich krass, und ich hatte in bestimmten Momenten ein richtig mulmiges Gefühl im Bauch – dabei habe ich ja nichtmal etwas verbrochen. Aber auch die Tatsache, dass ich nur Stunden vorher noch mit Freunden gelacht und mein letztes Shakshuka Malawach gegessen hatte, dass meine ganze Reise nun von einer auf die andere Sekunde vorbei war, hat mich traurig und gleichzeitig erschöpft gemacht. Denn solange man sich gedanklich auch dagegen wehrt – spätestens, wenn man ins Flugzeug steigt, wird die Heimreise Realität.
Vor ein paar Tagen habe ich mit Aditya, Alba und Andrew noch Palästina besucht. Mit dem Bus sind wir vom Damascus Gate aus nach Bethlehem gefahren und als wir ausgestiegen sind, wurden wir sofort von Taxifahrern umschwärmt, die uns alle jeweils den besten Preis für eine Fahrt in ihrem Taxi anbieten wollten. Eigentlich wollten wir gar nicht Taxi fahren, aber irgendwann war der Preis dann so gut, dass wir zugestimmt haben. Für je 20 Schekel hat uns der nette Fahrer zu allen Sehenswürdigkeiten gefahren, die wir sehen wollten, hat uns einiges erzählt und mit größter Geduld überall auf uns gewartet. Klar, waren die Kirchen schön und ein Muss für uns, was mich aber wirklich zutiefst berührt hat, war die Mauer und die Graffitis auf ihr, durch die die Menschen ihre Gefühle ausdrücken und aussprechen können – wenn schon nirgendwo sonst.
Ich stand in meinem Leben noch nie vor einer Mauer, zumindest keiner, die Menschen voneinander trennt und Hass als Grundbestandteil in sich trägt. The world is too small for walls kann man an ihrer Wand lesen, und: über Mauern kann man fliegen, wenn man seinem Feind vergibt. Menschen aus aller Welt haben sich hier verewigt, am bekanntesten sind aber die Graffitis von Banksy. Gleich neben dem oben gezeigten Mauern-Abschnitt befindet sich auch sein weltberühmtes Walled Off Hotel, das mit seiner schrecklichen Aussicht den (inszenierten?) Ruf The worst view in the world trägt.
Das Museum, das sich in der unteren Etage eben dieses Hotels befindet, gehört zu den besten Museen, die ich in meinem Leben bisher gesehen habe. Denn es gibt Menschen eine Stimme, die keine haben (dürfen). Es erklärt den Konflikt zwischen Palästina und Israel und bewegt mit zahlreichen Geschichten und Videos. Wer Banksy wirklich ist, weiß niemand. Zum Glück für ihn, wahrscheinlich.
Ich bin dankbar für alles, was ich während diesem Monat sehen durfte, für all die Menschen, die meinen Weg gekreuzt haben und ihn ein Stück mit mir gegangen sind – es hätte nicht schöner sein können. Was Israel angeht, bin ich mir zum ersten Mal sicher, dass es nicht der letzte Besuch war. Es war keine bestimmte Sehenswürdigkeit, kein bestimmter Ort – es war alles dazwischen. Alles, was nicht greifbar ist, das dieses Land so besonders macht. Und Jerusalem, ja, Jerusalem.
Ich komme wieder, auf ein neues Shalom.